Begriffsbestimmung - Zur Beschreibung des Vollblutpferdes in der europäischen und arabischen hippologischen Literatur

Text und Abbildungen (c) Dr. Dr. habil. Karin Thieme


In der klassischen Literatur zum Arabischen Pferd vor allem des 19. und 20. Jahrhunderts findet sich der geneigte Leser einer Flut von Begriffen ausgesetzt, die alle das gleiche Ziel verfolgen: die Beschreibung des arabischen Vollbluts, des in der Wüste reinblütig gezogenen Pferdes bzw. des "desert-bred". An dieser Stelle soll versucht werden, die Vielfalt an Begriffen und Beschreibungen des edlen reinblütigen Arabers zu resümieren. Insbesondere trifft dies auf diejenigen Begriffe zu, die dem Leser oft weniger bekannt sind, weil sich heute kaum jemand die Mühe macht, sich durch die zahlreichen Publikationen zu diesem Thema zu arbeiten. Die Transkription der Begriffe aus dem Arabischen durch die genannten Autoren wurde beibehalten, insofern differiert nur deren Schreibweise, nicht aber deren Bedeutung.

Zu den gebräuchlichen Begriffen, die auch heute allgemeinen verwendet werden, zählen die Termini asil und al khamsa. Beide dienen zur Bezeichnung des Reinblutarabers, der in allen seinen Stammbaumlinien auf Beduinenzucht zurückzuführen ist, ohne dabei eine Einkreuzung von Fremdblut, also nicht-arabischen Blutanteilen, aufzuweisen. Es ist hinlänglich bekannt, daß beide Bezeichnungen von den Züchtervereinigungen Asil Club e.V. in Deutschland und der US-amerikanischen Al Khamsa Inc. definiert worden und in deren Veröffentlichungen, der Asil Araber Dokumentation und dem Al Khamsa Directory, nachzulesen sind. Bei korrektem Gebrauch beziehen sich diese Begriffe also auf Pferde, die den Statuten dieser Züchtervereinigungen per definionem entsprechen und in deren "Stutbüchern" sie registriert sind. An dieser Stelle soll deshalb nicht weiter auf diese Begriffe und deren gegenwärtige Verwendung eingegangen werden. Vielmehr möchte ich darauf hinweisen, daß auch diese beiden Begriffe keine Wortschöpfungen der angesprochenen Organisationen sind, sondern - und das zeigt insbesondere der Begriff asil - sie in der hippologischen Literatur eine lange Tradition aufweisen.


Alfred De Dreux: Omar (Lithographie 1854). Archiv: Dr. Thieme
Die folgende Zusammenstellung stellt den Versuch einer Aufarbeitung dar, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und der die diskutierten Beigrifffe keiner Wertung unterzieht. Dies würde den Rahmen eines solchen Beitrags sprengen. Außerdem hat gerade die Diskussion um die Begriffsbestimmung des Reinblutarabers in den 70er Jahren zu großer Verwirrung geführt. Einigen "älteren" Züchtern und Interessierten wird dies noch in Erinnerung sein. Außerdem wurde für diesen Beitrag nicht die gesamte Literatur zum Arabischen Pferd durchgearbeitet, sondern Wert gelegt auf wichtige und anerkannte Werke und deren Beschreibung des Arabischen Pferdes der Wüste, des "desert bred".


Victor Adam: Akerf (Lithographie 1840). Archiv: Dr. Thieme

Ein schillernder Begriff, auch in der hippologischen Literatur, ist der "Rassen"-Begriff, mit dem ich diese Aufstellung eröffnen möchte. Er wird ausführlich reflektiert in dem Buch "Das Pferd bei den Arabern" von Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall (Wien 1855-56). Neben dem deutschen Sprachwissenschaftler, Schriftsteller und Orientalisten Friedrich Rückert war Hammer-Purgstall der herausragende Orientalist seiner Zeit: Ein Wissenschaftler, der die meisten orientalischen Sprachen und Dialekte beherrschte und der sein Buch zum Arabischen Pferd im Auftrag des österreichischen Kaisers schrieb als ein Dokument für das große Interesse an dieser Pferderasse im 19. Jahrhundert. Doch trotz seines nachgewiesenen Expertentums bezieht sich auch Hammer-Purgstall auf Texte anderer Autoren seiner Zeit zu diesem Thema wie beispielsweise Damoiseau (1842), Mazoiller (1854), Abd el Kader (1853), Daumas (1853-54), Burckhardt (1831), Graf Rzewuski (Band 5 der "Fundgruben des Orients") sowie die einzig existierende französische Übersetzung Perrons von Abu Bakrs berühmtem Werk "Naceri" aus dem Jahr 1852.


Carle Vernet: Mameluck en Attaque (Aquatinta 1810). Archiv: Dr. Thieme

Grundsätzlich unterscheidet Hammer-Purgstall zwischen edlen Pferden (von einem Hengst edler Geburt und deshalb mit edlen Charakteristika ausgestattet) sowie Pferden von edler Geburt bzw. Abstammung, deren beide Elternteile von edler Abstammung sind. Sie sind die Aristokraten unter den Wüstenpferden. Wir würden heute vereinfachend reingezogen (Reinzuchtaraber) sagen, um ein reinblütiges Pferd ohne Fremdbluteinfluß zu bezeichnen. Hammer-Purgstall unterscheidet außerdem zwischen "Rassen" und "Familien" (engl. strains) gemäß der heute gebräuchlichen Definition dieser Begriffe. Von Interesse in diesem Zusammenhang sind die sogenannten Rassen. Eine wichtige Aussage im Text von Hammer-Purgstall ist die Behauptung, die allgemeine Bezeichnung für das edle Pferd, wie sie in arabischen Ländern benutzt würde, sei koheilan. Dabei bezieht er sich auch auf Beobachtungen von Perron und Mazoiller. Hammer-Purgstall schreibt des weiteren, die Bezeichnung koheilan sei durch den Grafen Rzewuski in Band 5 seiner "Fundgruben des Orients" in die Literatur zum Arabischen Pferd eingeführt worden.

Ungefähr 150 Jahre später recherchiert Marit Kretschmar in ihrem Buch "Pferd und Reiter im Orient (1980), der Terminus kuhaylan wurde zum ersten Mal im 17. Jahrhundert von Arvieux erwähnt und wird seitdem in der neuzeitlichen Literatur zum Arabischen Pferd verwendet. Interessant ist, daß diese Bezeichnung in der klassischen Literatur zum Thema, insbesondere von arabischen Autoren wie z.B. in Abu Bakrs "Naceri" aus dem 14. Jahrhundert nicht erwähnt wird. Immerhin gilt das "Naceri" als die umfangreichste Studie zum Arabischen Pferd in arabischer Sprache. Doch bleiben wir beim Terminus koheilan. Hammer-Purgstall interpretiert ihn in der Ableitung der schwarzen Augenschminke "kuhl" (kohl, arab. Antimon) der Bedu-Frauen als "derjenige mit den schwarzen Augen" (aufgrund des meist sehr feinen bzw. fehlenden Haarkleids im Augenbereich arabischer Pferde). Hoor ist eine weitere Bezeichnung, die für Fohlen, deren Eltern von reiner Abstammung sind, verwendet wird. Man findet sie u.a. bei Daumas und Hammer-Purgstall.

Analog zu ad-Damiris "Zoologischem Wörterbuch" erwähnt Hammer-Purgstall drei Synonyme für den reinen Araber. Dabei wird die Bezeichnung "Arabisches Pferd" immer synonym gebraucht für ein "Pferd von reiner/reinblütiger Herkunft", bzw. läßt die Interpretation den Schluß zu, ein Arabisches Pferd ist immer auch ein reingezogenes Pferd. Der erste dieser drei Begriffe ist kaidol-ewabid, der das Arabische Pferd aufgrund seiner Schnelligkeit zu den wilden Tieren zählt. Der zweite Begriff ist aatik, der im Verlauf der arabischen Sprachgeschichte einen großen Bedeutungswandel in seiner Anwendung durchmachte. Aatik bedeutet "das freie Pferd". Der dritte Begriff ist nedschib, "das liberale und freie Pferd", gleichbedeutend mit kerim, "der Generöse".

Hammer-Purgstall legt im weiteren dar, daß das Arabische ungefähr 12 gleichbedeutende Begriffe kenne, um das edle, das reinblütige Pferd zu beschreiben. Er nennt jedoch nur zwei: arab und eth-thirf, die er beide unübersetzt läßt, aber auf eine sprachliche Verwandschaft zum englischen Rennsportbegriff "turf" hinweist. Auch viele arabische Dichter benutzen eine Vielfalt solcher Bezeichnungen für das Reinblut- bzw. Vollblutpferd. Schließlich erwähnt Hammer-Purgstall, daß alle bekannten Rassebezeichnungen eine Erfindung des 19. Jahrhunderts sind, die die klassische arabische hippologische Literatur nicht kennt: Familienbezeichnungen also wie Saqlawi Jedran, Kuhaylan Ajuz, Muniqi usw., die seit der Diskussion von Raswan häufig gleichbedeutend mit sogenannten "Typen" interpretiert werden. Mit diesen Grundtypen wird nach Raswan ein bestimmter Phänotyp verbunden: der maskulin- kräftige Kuhaylan, der feminin-elegante Saqlawi und der langlinige Muniqi.

Doch noch einmal zurück zum Begriff kuhaylan, wie er allgemein für das Arabische Reinblutpferd einerseits sowie als Familienbezeichnung andererseits verwendet wird, sowie zum Begriff atiq, dessen Schreibweise (aatik, atik, atq) bei den Autoren sehr differiert. Etymologisch bezieht sich der Begriff kuhaylan auf die Bezeichnung "kuhl", bei Hammer-Purgstall ebenso wie bei späteren Autoren wie z.B. Roger Upton (1881), Tweedie (1894) und Flade (1977). Neben dem bereits erwähnten schwarzen Augenmake-up der Bedu-Frauen bezieht sich Flade auch auf die schwarze Haut der Gazelle, wie sie für die Augenpartie vieler Arabischer Pferde charakteristisch ist. Marit Kretschmar, die sich in ihrer Dissertation sehr intensiv mit der Begriffsbestimmung auseinandergesetzt hat, bezieht sich unter anderem auf das von "kuhl" abgeleitete Wort "kuhaylun": Erdpech, das bei den Beduinen als Heilmittel bei Kamelen gegen Räude eingesetzt wurde. Der französische Kenner arabischer Pferde Mercier stellt dagegen in seinem bedeutenden Werk "La Parure des Chevaliers" (1924) eindeutig fest, die Bedeutung von "kuhl" für schwarze Haut sei ihm weder in der klassischen noch modernen arabischen hippologischen Literatur begegnet und damit eine Erfindung europäischer Autoren.

Der Begriff atiq (aatik, atik, atq) wurde in der arabischen Sprache und hippologischen Literatur ausschließlich auf die erste Klasse von Pferden angewendet: die edlen, d.h. reingezogenen Vollblüter. Diese Bezeichnung entspricht in ihrer Verwendung am ehesten dem heute gebräuchlichen Begriff asil. Ein Pferd wurde nur dann "atiq" genannt, wenn beide Elternteile auch "atiq" waren. Sie waren das Ideal gemäß des arabischen hippologischen Schrifttums. Viele europäische Autoren verwendeten als Synonym for "atiq" den Begriff "rein-gezogen" (engl. "pure-bred"). Nach den allgemein gültigen Statuten der World Arabian Horse Organization definieren sich alle "pure-breds" als Vollblutaraber. Beispielsweise hat sich Frey in seiner Dissertation (1968) aus der Affäre der Definitionsunterschiede gezogen, indem er einen Reinzucht- und einen Reinblutaraber charakterisiert. Eine gewisse Wandlung machte der Begriff atiq im Orient durch, als er im Lauf der Zeit Verwendung für Halbblutpferde fand, die nach Perron (1852) ursprünglich als hagin (hajin) bezeichnet wurden. So verwendeten viele Orientreisende den Begriff "atiq" bereits seit dem 17. Jahrhundert für Pferde "unedler" Abstammung. Das Reinblutpferd wurde seitdem als kuhaylan, nagdi (Nejdi) und arabi bezeichnet. Damit hat der Begriff atiq eine eindeutige Qualitätsminderung erfahren: von der Bezeichnung des Edelpferdes über die des Halbbluts bis hin zu Pferden ohne bekannte Abstammung, die muqrif.

Auch die deutsche Autorin Erika Schiele nimmt zu dieser Begriffstransformation in ihrem Buch "Arabiens Pferde" (1972) Stellung. Sie schreibt, atik besitze unterschiedliche Deutungen, deren Spannbreite von "fremd", "ausländisch" über "Halbblut" bis "rein seit längerer Zeit" reiche. Schiele gibt des weiteren eine Übersicht derjenigen Begriffe, die das Reinblutpferd definieren und synonym verwendet werden: safinat als ursprüngliche, vor Mohammeds Lebzeit bekannte Bezeichnung für einen reinen Araber, arabi für reine Araber seit dem 8. Jahrhundert auftauchend, kuhaylan als spät auftauchender Begriff, der in Abu Bakrs "Naceri" aus dem 14. Jahrhundert unbekannt ist und gemäß Perron als Symbol der nördlichen Beduinenstämme für reine Abkömmlinge von seinerzeit aus dem Nedsch mitgebrachter Pferde Verwendung fand. Der Begriff asil bedeutet "von der Wurzel, vom Ursprung her rein". In Syrien ist der Begriff chebouw für reine Pferde, die Aristokraten, gebräuchlich. Die hadudi sind die erste Klasse von Pferden, die sich bereits in der Zucht bewährt haben, wogegen Pferde, deren mütterliche Vorfahren sich schon über längere Zeit in Stammesbesitz befinden, als mazbut bezeichnet wurden - ein Beweis für die große Bedeutung, die die Beduinen den Mutterlinien ihrer Zuchttiere zumaßen. Schließlich bezieht sich auch der Begriff sakit zwar auf Pferde reiner Abstammung, die aber als Individuum wertlos sind.

Eine weitere umfangreiche Studie zum Arabischen Pferd haben die französischen Autoren Nicole de Blomac und Denis Bogros mit dem Buch "L'Arabe - premier cheval de sang" (1978) vorgelegt. Dieses exzellente Buch, das leider aufgrund der Tatsache, daß es nur in französischer Sprache vorliegt, ein gewisses Schattendasein führt, ist ein äußerst wichtiger Beitrag, der sich sehr gründlich mit dem Arabischen Vollblut in all seinen Facetten auseinandersetzt. Bogros und de Blomac nennen weitere bedeutende Quellen zum Thema Begriffsbestimmung. Auch sie beziehen sich vor allem auf die Begriffe atq und kahlan. Sie nennen eine arabische Quelle aus dem 9. Jahrhundert, die den Terminus eatq für "rein, alt, aus alten Linien kommend" angibt. Perron gibt für den Plural atteci/ateki die Übersetzung "reinblütig, fehlerfrei". In sprachlicher Verwandtschaft hierzu bezieht sich Bougelat im 18. Jahrhundert auf den Begriff hatiq für "befleckt" (also von zweifelhafter Abstammung). Das französische Journal des Haras (1832) gebraucht den Begriff attechi für "gemein, durchschnittlich".

Bogros und de Blomac fassen außerdem die unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffs kuhaylan in einer großen tabellarischen Aufstellung zusammen. Niebuhr (1760) und das Journal des Haras (1832) übersetzen den Plural koheila/kochlani als "Pferde mit 2000jähriger Genealogie". Eine arabische Quelle des 10. Jahrhunderts nennt khel für "schwarz", Bourgelat (18. Jahrhundert) nennt kehilan für "edel", Burckhardt (1831) interpretiert koheil als "Pferd, das von den fünf Stuten des Propheten abstammt", Perron (1852) bezeichnet das "Reinblut" als kahlan, d'Aure (1894; Direktor der Kavallerieschule Saumur) bezeichnet ein "edles Pferd" als kochlani, Lady Wentworth (1944) übersetzt kahilan als "Vollblut", Brown (1929) und Ashoub (1948) wiederum kochlani/koheilan als "edel", Abouzeid (1951) weist kohelan die Bedeutung "aus dem Stamm der Kohelan" zu, und schließlich interpretiert Raswan (1930) kuhaylan/kouhaylan als "Nachkomme der Stute Khoe". Der bekannte deutsche Autor Ammon (1834), den Bogros und de Blomac nicht aufführen, gibt als Übersetzung des Begriffs koheylan "edles Pferd" an.

Die bereits erwähnte arabische Quelle aus dem 10. Jahrhundert gibt sich unterschiedlich zu den anderen Autoren, indem sie den Begriff khel mit "schwarz" (vgl. "kuhl") übersetzt. Das moderne arabische Wort "khel" dagegen bedeutet "Pferd", weicht also stark von der Bedeutung "schwarz" (arab. "aswad") ab. Die Interpretation von khel ("Pferd") erweiternd, nennen Bogros und de Blomac den Gebrauch des Begriffs al khir gemäß seiner Verwendung im Koran, der synonym steht für "das Gute, das Pferd". Auch erwähnt der Koran den Begriff safinat für "fehlerfreies Pferd" sowie aj-jiyad für "Pferde von großer Schnelligkeit". Auch das klassische Arabisch kennt viele Begriffe zur Beschreibung des Vollblutpferdes. Zu diesen zählen al arab für "Arabisches Pferd", al faras für ein "Pferd von hoher Rasse", atiq für "fehlerfrei", horr für "frei (von Fehlern), edel", hariq en-nasab für "zum Ursprung zurückreichend". Niebuhr (1760) schließlich differenziert zwischen kahlan adjouz oder kehilan ajuz für "altes Vollblut" (i.e. in alter Überlieferung der Abstammung) sowie kahlan djedid für "neues, modernes Vollblut". Was immer dies auch bedeuten mag, ist vielleicht ein Erklärungsgrund in der Unterscheidung von Reinblut- und Reinzuchtaraber zu suchen (vgl. Frey 1968). Auch wenn Niebuhrs Ableitung des Begriffs kuhaylan von dem Wort kahlan (nach Lady Wentworth ein jemenitischer Beduinenstamm) etwas verwirrend anmutet, allein was die Transskription all dieser Begriffe aus dem Arabischen anbetrifft, so ist es doch Niebuhrs Verdienst, daß der Begriff kuhaylan heute allgemein gebäuchlich ist und solch großen Einfluß auf das Schrifttum zum Arabischen Pferd genommen hat.

Abschließend noch einige Anmerkungen zu dem heute vielleicht gebräuchlichsten Begriff für das Reinblutpferd, den Begriff asil. Wiederum Niebuhr (1760) nennt "edel, von authentisch arabischer Abstammung" als Übersetzung für asil. Tweedie beispielsweise, der im Titel seines umfangreichen Buchs "The Arabian Horse - its Country and People" (1894) deutlich macht, daß er selbst lange in orientalischen Ländern gelebt hat, spricht von asil als "aus einer gesicherten Herkunft stammend". Der Plural asalat bedeutet nach Tweedie "von fester, tiefgehender Grundlage sein" gemäß der Übersetzung als "Vollblut". In dieser Zeit war die allgemeine Bezeichnung im Englischen auch für arabisches "Vollblut" der Begriff "thorougbred" - wie er heute nur noch für die englische Rennpferderasse Verwendung findet - anstelle von "pure-bred". Es ist allgemein bekannt, daß auch die Beduinen der Wüste sich als asil bezeichneten, bezugnehmend auf ihre edle Abstammung. Damit ersetzte der Begriff asil den alten Begriff atiq in dessen ursprünglicher Bedeutung "edel aufgrund der Abstammung". In seinem "Index" geht Raswan in Anlehnung an Lady Wentworth, die er des öfteren zitiert, sogar soweit zu behaupten, asil in der Übersetzung von "authentisch" würde ausschließlich für Pferde verwendet, deren beide Elternteile aus der gleichen bzw. einer eng verwandten Familie stammen (gemäß seiner Familien-Typen-Theorie).

Einen weiteren wichtigen Hinweis zum Begriff asil gibt Gladys Brown Edwards in ihrem Artikel "The Magic Touch" (Arabian Horse World 8/1984, S. 379), wo sie wiederum Lady Wentworth zitiert. Letztere betone, daß der Begriff asil bereits von dem Franzosen Monvette erwähnt wurde, der um 1680 als Sklave in Marokko lebte. Monvette berichtet von Arabischen Stuten mit außergewöhnlich schönem Typ, die sich, aus Arabien und Ägypten kommend, in den Ställen des französischen Königs befänden. Monvette wird zitiert: "die Edlen, die sie asil nennen, kommen immer aus Arabien, nicht aus der Berberei ... diese Arabischen Stuten und Hengste von edler arabischer Rasse sind die ... von den Monarchen gesuchtesten ...". Mag sein, daß die Wentworth-Quelle nicht die zuverlässigste ist, da Lady Wentworth dafür bekannt ist, die Interpretation von überlieferten Zusammenhängen nach ihrem Gutdünken und ihren Eigeninteressen gemäß darzustellen; aber gerade diese Textstelle macht deutlich, daß der Begriff asil keineswegs eine Neuschöpfung von Blutfanatikern der Gegenwart oder gar dem Asil Club ist, wie es dieser Vereinigung in den Anfangsjahren ihres Bestehens von Kritikern meist vorgeworfen wurde.

Abschließend möchte ich nochmals unterstreichen, daß die vorliegende Zusammenstellung von Bezeichnungen zur Charakterisierung des Arabischen Reinblutpferdes in der Tradition arabischer und europäischer hippologischer Literatur nur einen kleinen Einblick geben kann in ein weites Forschungsfeld. So konnten hier nur einige sehr wichtige Autoren und ihre Werke diskutiert werden. Aber vielleicht hilft diese Zusammenstellung dem interessierten Leser, Züchter und Liebhaber dieser Pferderasse, sich mit den Grundlagen der Jahrhunderte alten Araberzucht auseinanderzusetzen. Diese lange Tradition bzw. die Verbundenheit des Arabischen Pferdes mit dem Ursprungsraum, den Menschen und der Religion der arabischen Halbinsel birgt viele interessante kulturhistorische Aspekte, die die moderne Araberzucht heute schon vielfach aus ihrem Gedächtnis gestrichen hat.